Oslo
Oslo – Stadt der Gegensätze
Eine Ansammlung in die Stadt geworfener Büro- und Wohnhäuser mit braunen, schmiergrünen oder grauen Fassadenverblendungen: Oslo ist hässlich – und schön: Stadtvillen und Bürgerhäuser aus dem 18. Und 19. Jahrhundert, manche mit Stuck verziert – vorbildlich renoviert reihen sie sich in Oslos schickem Westen an breiten Alleen, deren Ruhe nur selten ein vorbeifahrendes Auto stört.
Oslo ist Zukunft: Wo einst gleich hinter dem Rathaus Schiffe vom Stapel liefen, spiegeln sich futuristisch ineinander verschachtelte Wohngebirge im blauen Meer. Bars, Kneipen und Restaurants sind voll, auch wenn ein einfaches Gericht 30 und mehr Euro, ein Bier mehr als einen Zehner kostet.
Oslo ist reich – und arm: Auf den Straßen betteln zerlumpte Gestalten, in der Hoffnung auf ein paar Kronen, mit denen sie über den Tag kommen können.
Eine Annäherung an eine Stadt der Gegensätze.
„Ruf mich an, wenn Du etwas brauchst“, verabschiedet sich der Mann aus dem nagelneuen Zug, der den Flughafen Torp mit dem Hauptbahnhof verbindet. „Ich bin die nächsten zwei Tage hier, habe aber viele Termine.“
Die meisten Norweger fahren nur in die Stadt, wenn es sein muss.
Kein Wunder: Seit den 60er Jahren zerstückelten Stadtsanierer die Innenstadt mit rohen Klötzen.
„Wir haben mit Neubauten keine Probleme“, erzählt mit leicht ironischem Unterton eine Stadtführerin. Reihenweise seien mit dem Beginn des Ölbooms alte Häuser der Abrissbirne zum Opfer gefallen.
Ein Stück weiter östlich beginnt im Stadtteil Grönland Südasien. Auf der Suche nach Job und Glück zogen vor 30, 40 Jahren Tausende Pakistani nach Oslo.
Viele ihrer Nachkommen sind Norweger geworden: zurückhaltend, freundlich und gesetzestreu: Pünktlich um 23 Uhr 59 verscheucht einer von ihnen auf Grönlands gleichnamiger Hauptstraße mit ihren vielen Cafés und Kneipen seine Kneipengäste nach drinnen.
„Die Nachbarn“, murmelt er und zeigt auf seine Armbanduhr. Gesetz ist Gesetz, auch in einer 25 Grad warmen Nacht.
Im Ayselet kann man länger draußen sitzen. Das uralte norwegische Holzhaus, angeblich das Älteste in der Innenstadt, umschließt einen gepflasterten Innenhof. Hier gibt es keine Nachbarn, die sich gestört fühlen könnten.
Am Tisch sitzt ein bunter Haufen Couchsurfer: Ein verrückter Litauer, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, Olav, der Taxifahrer, der allen, die nicht schnell davon laufen, eine Lektion Norwegisch verpasst – und noch ein paar andere Leute aus Deutschland, England und vor allem Polen.
Norwegens Job- und Wirtschaftswunder lockt Scharen von Osteuropäern ins Land: junge Leute, vor allem Männer, die auf Baustellen und in der Ölindustrie arbeiten.
Ein junger Breslauer schwärmt auf dem Nachhauseweg über menschenleere Plätze und durch verlassene, betonierte Passagen von den norwegischen Mädchen: Hier sei es normal, dass junge Frauen in Clubs und Diskos Männer ansprechen und auch mal „abschleppen“. Aus dem katholischen Polen kenne er das nicht.
Norwegen ist wie ganz Nordeuropa evangelisch. Über Jahrhunderte bestimmten hier Pietisten mit ihrer strengen Moral. „Here, it’s all about work“, „hier dreht sich alles um die Arbeit“, erzählt Curtis, ein US-Amerikaner, der lange in England und der Schweiz gelebt hat.
Nach Oslo ist er vor bald vier Jahren der Liebe wegen gekommen. Seine Frau ist Norwegerin.
Jetzt haben die beiden ein Kind bekommen. Wenn er sich nicht gerade um seinen Sohn kümmert, vermietet er Fahrräder oder führt Touristen auf seinen Rädern durch die Gegend. „Oslo“, sagt er, „ist die perfekte Stadt um eine Familie zu gründen“: ruhig, freundlich, viel Natur und wenig Stress.
Im Winter könne er mit Langlaufskiern vom Balkon seiner Wohnung springen und direkt losfahren. Gleich am Stadtrand, keine 15 U-Bahn-Minuten vom Zentrum, beginnen die Skigebiete.
Im Sommer lockten die zahlreichen Inseln mit ihren Stränden. „Laid back country“, ein entspanntes Land nennt Curtis seine Wahlheimat, die für ihn „das beste Sozialsystem der Welt“ hat.
Die Leute seien zurückhaltend, pflegten eher die leisen Töne, aber unterkühlt seien sie deshalb nicht, vielmehr „professionell im Umgang“.
So richtig laut wird es nur abends in Clubs wie dem Hausmania, einem ehemals besetzten Haus, das die Betreiber inzwischen von der Stadt gemietet haben.
Zum Nationalfeiertag steigt hier wie an jedem Wochenende eine Party. Zwischen neun und zehn Uhr legen Amateur-DJs auf. Wer mag, meldet sich an, bekommt das O. k. und los geht’s.
Übers Internet verabreden sich die Fans psychedelischen Elektrosounds auch gerne draußen in den Wäldern rund um Oslo.
Oft Stunden lang schleppten sie die schweren Musikanlagen durch die Landschaft, um an einem See unter Bäumen zu feiern. „Spuren hinterlassen wir keine“, versichert Organisator Jan-Erik. „Wir lieben die Natur.“
Oslo sei eine Metropole für innovativen Elektro-Sound, meint der 32-jährige und auch viele gute Jazzmusiker sammelten sich hier. Jan-Erik stammt wie viele junge Leute in Oslo aus einem Provinznest an der verregneten Westküste Norwegens.
Die Hauptstadt mag er nicht nur wegen des besseren Wetters. Hier gäbe es eine gute Clubszene und vor allem die Vielfalt, die er in der Provinz vermisst habe.
Im wohnzimmerkleinen Innenhof des Hausmania kommt die Party allmählich in Schwung. Die Leute tanzen oder machen es sich auf den Sperrmüll-Sofas bequem.
Ein weiß gewandeter, kahlköpfiger junger Mann sitzt mitten zwischen den Tanzenden auf dem Boden und meditiert.
Ein karibischer Rastafari hat noch die norwegische Fahne im Kragen stecken. Wahrscheinlich war er auch auf der jährlichen Parade zum Nationalfeiertag. Stundenlang ziehen Schulklassen, Kindergruppen, Chöre, Studenten und Vereine fahnenschwingend, lachend, musizierend über die breite Allee vom Parlament zum Schloss.
Dort steht die Königsfamilie von morgens um zehn bis weit in den Nachmittag auf dem Balkon und winkt.
Selbst der Prinz und die Prinzessin, beide vielleicht sieben oder acht Jahre alt, halten tapfer durch. Die Norweger feiern den Jahrestag ihrer Verfassung von 1814.
In den Parks um die Parademeile Karl Johan Gate picknicken Familien und junge Paare. Die meisten tragen die Tracht ihrer jeweiligen Heimatregion.
„Wir sind stolz auf unser Land, lieben es und feiern es heute“, antworten Junge wie Alte auf die Frage, was ihnen der 17. Mai bedeute: ein Familientag, an dem sich alle schick machen.
Viele Mütter und Großmütter nähen die Trachten nach alten Vorlagen auch heute noch selbst. Im Laden kostet eine vollständige Tracht mit allen Dekors rund 1000 Euro.
Weniger nach Feiern ist den vielen Bettlern, die den Passanten auf den Bürgersteigen Pappbecher entgegenstrecken.
Manche der abgerissenen Gestalten sprechen beschämt Vorbeigehende an, oft freundlich, gelegentlich aggressiv in gebrochenen Norwegisch oder Englisch an. „Please, I have children hungry“.
Manche sitzen nicht mehr auf dem kalten Boden, sondern halten stehend ein Heft in der Hand: Das “Folk er Folk” Magazin. „Mensch ist Mensch“ heißen das Magazin und die Organisation, die es herausgibt.
Ihr Sprecher Peter Gerasch, auch ein Roma, ist in Deutschland aufgewachsen, hat lange in den USA gelebt und ist nun zu seiner Frau nach Oslo gezogen.
Das Elend der Roma aus Rumänien auf den Straßen der Stadt habe ihn erschüttert. Am meisten berühre ihn, dass Bettler aufrecht und stolz das Heft anböten.
Im Winter ist das eine Frage des Überlebens. Polizisten bestünden darauf, dass die Bettler am Boden sitzen, um nicht so aufdringlich zu wirken. Bei Temperaturen um – 20 Grad würden deshalb viele krank.
Die Roma wollten in Norwegen vor allem eines: Arbeiten. Doch kaum jemand traut sich, einen „Zigeuner“ anzustellen. Viele von ihnen haben keine Berufsausbildung, können weder lesen noch schreiben – von Norwegisch- oder Englisch-Kenntnissen ganz zu schweigen.
Darum sucht “Folk er Folk” Jobs, zum Beispiel in Gärten von Privatleuten oder beim Beeren pflücken im Wald, stellt die Roma dafür ein und garantiert den Auftraggebern für die Qualität der Leistung.
Mariana, eine ehemalige Bettlerin, kann ihr Glück kaum fassen. Die kleine schmächtige Frau sitzt strahlend in einer Osloer Wohnung. Weil ihr Mann krank wurde, muss sie für ihn und die beiden Kinder sorgen.
In Rumänien hat sie keinen Job gefunden. So machte sie sich alleine auf die weite Reise nach Oslo, lebte einige Jahre lang vom Betteln, übernachtete unter Brücken und in Parks.
Gefühlt hat sie sich dabei „wie ein Hund, den niemand haben will“. Meist saß sie mit ihrem Pappbecher auf den Stufen einer Kirche am Stadtrand.
Die Kirchgänger gingen achtlos an ihr vorbei. Vibeke Uhlig, eine Diakonin, bat sie herein. Mit Händen und Füßen verständigten sich die beiden und freundeten sich an.
Inzwischen putzt Mariana bei Uhligs sowie bei einigen ihrer Freunde die Wohnungen. Als Minijobberin bekam sie, wovon so viele der Bettler träumen: Eine norwegische Versicherungsnummer und nun auch eine eigene Wohnung.
Anfangs, erzählt Vibeke, war auch sie unsicher. In der Kirche oder in der Wohnung hätte Mariana einiges klauen können.
Doch als sie beim Putzen zufällig 100 Kronen (rund 13 Euro) fand, gab sie ihrer neuen Chefin den Schein in die Hand. Als die größte norwegische Zeitung ihre Leser fragte, was sie in Oslo störe, nannten die meisten „die Bettler“ und „den Müll“.
Die Leute, meint Viebeke, seien verunsichert, „Es verstört sie, dass jemand durch Norwegens dichtes soziales Netz fallen kann.“
Festivals und Veranstaltungen in Oslo
- BY:LARM, Musik-Konferenz und Konzerte (Februar)
- Inferno Festival, Black Metal-Festival (März)
- Holmenkollen Festival, Langlauf und Skisprung (März)
- Norwegian Wood, Norwegens Top-Rockfestival (Juni)
- Oslo Pride, Gay-Festival (Juni)
- Norway Cup, das weltweit größte Fußballturnier für Kinder (Juli bis August)
- Øya Festival, beliebtes Outdoor-Musikfestival (August)
- Oslo Marathon (September)
- Friedensnobelpreis-Zeremonie (Dezember)
Die Anreise nach Oslo
Der wichtigste internationale Flughafen in Oslo ist der Flughafen Oslo Gardermoen, 47 Kilometer nördlich des Stadtzentrums.
Der Flughafen-Expresszug Flytoget verbindet den Flughafen und den Hauptbahnhof in weniger als 20 Minuten.
Der Flughafen Sandefjord Torp und der Flughafen Moss Rygge liegen westlich beziehungsweise östlich des Oslofjords. Der Hauptbahnhof ist Oslo S.
Der Busbahnhof befindet sich in unmittelbarer Nähe. Parken kann in Oslo teuer werden. Städtische Parkplätze (nicht jedoch private Parkhäuser) sind mit dem Oslo Pass gratis. Weitere Informationen über Parken.
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- Flitterwochen in Oslo
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