Wikinger – die kriegerische Seemacht des Mittelalters
Sie kamen aus dem hohen Norden und verbreiteten 300 Jahre lang Angst und Schrecken in Mitteleuropa: Die Wikinger. Alte Quellen beschreiben sie als hochgewachsene Hünen mit bärtigen Gesichtern, die wie aus dem Nichts mit ihren wendigen Langbooten plötzlich an den Küsten auftauchten.
Auf ihren Beutezügen plünderten sie Klöster und Dörfer, verschleppten die Bewohner in die Sklaverei und brannten alles nieder, was wertlos für sie war. Doch die Wikinger waren mehr als nur Furcht einflössende Krieger, die mordend und brandschatzend durch Europa zogen. Sie waren auch Entdecker, Händler und begnadete Navigatoren, die lange vor Christoph Kolumbus den Fuß auf den amerikanischen Kontinent setzten.
Aufstieg der Wilden aus dem Norden
Das Zeitalter der Wikinger begann um das Jahr 800, etwa zur gleichen Zeit, als der Frankenkönig Karl der Große von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt wurde. Sieben Jahre zuvor fand der erste durch Quellen belegte Raubzug der Wikinger statt. Am 8. Juni 793 tauchten im Morgengrauen vor der englischen Insel Lindisfarne die schnellen Langboote der Normannen, wie die Wikinger auch genannt wurden, auf. Bis an die Zähne bewaffnet stürmten sie auf das Kloster St. Cuthbert zu, töteten Klosterbrüder und Inselbewohner und plünderten die Kirche und die Klostergebäude. Sie raubten wertvolle, mit Edelsteinen besetzte Kreuze, Gold, Zinnbecher und alte Schriften. Doch das war erst der Anfang. Mit diesem Überfall begann das Zeitalter der Wikinger, das erst zur Mitte des 11. Jahrhunderts enden sollte.
Die Wikinger in Norwegen, Schweden und Dänemark
Entgegen der weitverbreiteten Meinung waren die Wikinger keine einheitliche Volksgruppe. Vielmehr beschreibt der Begriff verschiedene Völker aus Skandinavien, deren Siedlungsgebiete in Norwegen, Schweden und Dänemark lagen. Für die Völker Mitteleuropas machte es freilich keinen Unterschied, wer genau die Kirchen und Dörfer plünderte. In der Wahrnehmung waren es ausschließlich barbarische Normannen aus dem Norden, die in Mittel- und Südeuropa auf Beutezug gingen und nach neuen Siedlungsräumen suchten.
Während Wikinger aus Dänemark bis nach Frankreich und Südengland vordrangen, wandten sich die schwedischen Wikinger nach Osten und drangen über die Flussläufe der Newa und Wolga bis nach Kiew und Nowgorod vor. Sie erreichten das Schwarze Meer und standen vor den Toren Konstantinopels. Wikinger aus dem norwegischen Raum suchten andere Routen mit ihren Langbooten. Sie landeten zuerst in Irland und besiedelten von dort die Atlantikinsel Island. Belegt sind Aufenthalte in Grönland und in den heutigen Neuenglandstaaten an der amerikanischen Ostküste.
Die Wikinger als Handelsmacht
Im zweiten Jahrhundert der Wikinger-Periode begannen die Völker aus dem hohen Norden zunehmend Handel zu betreiben. Obwohl sich aus Depotfunden in Norwegen und Dänemark nicht eindeutig erkennen lässt, ob die Münzen und Wertgegenstände aus Beutezügen, Lösegelderpressungen oder Handelstätigkeit stammen, gewannen Handelsverbindungen mit Südeuropa und dem Orient zunehmend an Bedeutung. Die Wikinger tauschten Felle, Bernstein, Wachs und Dörrfisch gegen Elfenbein, Edelmetalle, Gewürze und Waffen ein. In der Universität Oslo werden unter anderem Silbermünzen aus dem arabischen Raum und eine niederländische Goldmünze ausgestellt, die in der Ausgrabungsstätte Kaupang, einer alten Wikingersiedlung in Norwegen, zutage gefördert wurden.
Große Bedeutung besaß darüber hinaus der Sklavenhandel. Die Männer aus dem Norden versklavten auf ihren Beutezügen die Bevölkerung von Dörfern und Klöstern und verkauften sie als Arbeitskräfte bevorzugt in den Vorderen Orient. Mit ihren schnellen und wendigen Langbooten überwanden sie auch große Distanzen und drangen über das Schwarze Meer bis auf die arabische Halbinsel vor.
Die legendären Langboote der Wikinger
Die Wikinger waren brillante Schiffbaumeister. Mit ihren legendären Langbooten entwickelten sie eine schlanke Bootsform, die ihnen einfaches und sicheres Manövrieren in den norwegischen Fjorden und auf offener See ermöglichte. Sofern es erforderlich war, konnten die leichten Schiffsrümpfe sogar an Land transportiert werden. Am Bug befanden sich aufwendige Verzierungen in Form von Schnitzereien, die meist Tierköpfe oder Figuren aus der nordischen Mythologie darstellten.
Die ersten Langboote der Wikinger wurden mit Muskelkraft betrieben und konnten mit 12-60 Ruderern besetzt werden. Spätere Modelle waren mit einem Mast ausgestattet, an dem ein rechteckiges Segel befestigt werden konnte. Durch die zusätzliche Nutzung der Windkraft konnten fortan auch längere Distanzen zurückgelegt werden.
Einen Eindruck von den Fertigkeiten der skandinavischen Schiffbaumeister erhalten interessierte Besucher im Wikingerboot-Museum in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Ausgestellt werden Holzboote aus dem 9. Jahrhundert, darunter das erste Exemplar eines Wikingerbootes, das jemals gefunden wurde. Darüber hinaus wird in den Ausstellungsräumen der einzige im Originalzustand erhaltene Wikingerhelm gezeigt.
Die Spuren der Wikinger in Norwegen
Die Hauptsiedlungsgebiete der Wikinger in Norwegen lagen im Süden des Landes und an der Westküste auf Höhe der Lofoten. Auf den Gebieten von Oslo, Trondheim und Bergen fanden sich Spuren der nordischen Völker. Die wichtigste Ausgrabungsstätte in Norwegen befindet sich in der Nähe von Larvik. Die historische Wikingersiedlung Kaupang lieferte mit zahlreichen Fundstücken und Artefakten aufschlussreiche Erkenntnisse über das Leben der Menschen.
Mit der beginnenden Christianisierung Skandinaviens im 11. Jahrhundert, wurden die heidnischen Götter und Symbole der nordischen Mythologie zunehmend zurückgedrängt. Über ehemaligen Kultstätten wurden christliche Gotteshäuser errichtet. Die sogenannten Stabkirchen waren mit kunstvollen Schnitzereien verziert, die neben Symbolen des christlichen Glaubens auch die für die Wikinger typischen Tiergestalten darstellten. In Norwegen sind noch hölzerne 28 Stabkirchen erhalten, die zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert errichtet wurden. Die älteste Stabkirche stammt aus dem Jahr 1150 und befindet sich in der Ortschaft Urnes. Als einziges frühchristliches Gotteshaus in Norwegen wurde die Kirche in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.
Das Ende der Wikingerzeit
Zur Mitte des 11. Jahrhunderts neigte sich die Ära der Wikinger ihrem Ende zu. Zum einen führte die Missionierung in Skandinavien mit der Hinwendung zum christlichen Glauben zu einer Befriedung der kriegerischen Völker. Auf der anderen Seite führten politische Veränderungen in Europa zum Machtverlust der Normannen.
Gleichwohl übten die Wikinger einen nachhaltigen Einfluss auf die europäische Ordnung aus. Normannische Burgen in England, Wales und Irland gehören noch heute zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten auf der britischen Insel. Normannische Kirchen erheben sich zwischen Nordfrankreich und Sizilien. Der dänische Wikingerkönig Rollo erhielt im Jahr 911 die Normandie vom französischen König als Lehen und die Region in Nordfrankreich wurde zum Siedlungsgebiet für das Volk aus dem Norden. Sie eigneten sich schnell die französische Sprache und französische Bräuche an. Im Jahr 1066 startete der normannischen Herzog Wilhelm der Eroberer von der Normandie aus seinen Feldzug gegen England, der nach der gewonnenen Schlacht bei Hastings mit einer Eroberung der britischen Insel endete.
Wikinger Events in Skandinavien:
- Wikingerfestival in Karmøy, Anfang Juni
- Wikingermarkt in Gudvangen, Mitte Juli
- Heiliger Olav-Festival in Stiklestad, Ende Juli
- Lofotr Wikingerfestival, Ende August