Schwedische Folk Labels

Wenn Trolle an der Tür klopfen …

In den skandinavischen Ländern spielt die Volksmusik bekanntlich eine wesentlich wichtigere Rolle als bei uns. Sie wird durch viele junge Talente gepflegt und gilt als staatlich gefördertes Kulturgut. Peter Bickel portraitiert mit Drone und Nordic Tradition die beiden wichtigsten schwedischen Folk-Labels, aber mit Westpark auch eine deutsche Plattenfirma, ohne die wir diese wunderbare Musik nicht so leicht zu hören bekämen.

Folk aus Schweden war und ist – zumindest in Deutschland – eigentlich gleichzusetzen mit dem Label Westpark Music. Das in Köln von Ulli Hetscher gegründete Label kann bis jetzt etwa 300 Veröffentlichungen vorweisen: CDs, DVDs, Noten und Bücher. Für Hetscher, einst WDR-Musikfilmer und Autor für »Die Zeit« oder das Berliner Stadtmagazin »Tipp«, war sicher seine Tätigkeit als Artist & Repertoire-Manager und Produzent beim Plattenlabel pläne das Sprungbrett zur eigenen Firma. So konnte er veröffentlichen, was bei pläne – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich war. Sein Büro ist mit 36 qm sehr klein, aber Hetscher lebt zum Teil in seinem Westpark-Mobil – einem Campervan, mit dem er jedes Jahr mehr als 40.000 Kilometer zu Festivals, Konzerten, Messen und Treffen mit Musikern unterwegs ist.

Lizenzen

»Garmarna, die Anfang der Neunziger viel frischen Wind in die schwedische Folklore gepustet haben, waren 1993 für mich eine Initialzündung, um mich verstärkt der nordischen Musik zu widmen«, erzählt Ulli Hetscher. Die meisten CDs produziert und veröffentlicht Westpark dabei selbst. Vor allem in jüngerer Zeit findet man aber auch zunehmend Alben, die bereits in Skandinavien veröffentlicht wurden und die Hetscher nur für den deutschen Markt lizensiert: Er sichert sich die Rechte für Deutschland, wo er die CDs dann veröffentlicht – oft mit dem Original-Cover, ergänzt um deutsche Textübersetzungen. Welcher Weg ist der bessere? Ulli Hetscher: »Ich bevorzuge Eigenproduktionen, an denen ich die kompletten Weltrechte halte (z.B. Oysterband oder Lydie Auvray), aber das lässt sich nicht immer realisieren: Viele Folk-Bands fühlen sich bei einem heimischen Label besser aufgehoben und geben nur die Auslandsrechte ab. Dazu kommt natürlich, dass in Skandinavien nur inländische Labels Subventionen bekommen.«

Trotzdem: Die zweite CD des zauberhaften Gesangsquartetts Kraja hat Ulli vom schwedischen Folk-Label Drone lizensiert, und gerade eben erst ist Westpark eine Kooperation mit dem Nordic Tradition eingegangen – ein Label, deren CDs im sehr traditionellen Bereich angesiedelt sind. Wie kam das zustande? »Auf dem „folkBALTICA“-Festival in Flensburg habe ich die Musiker von Svanevit kennengelernt«, verrät Ulli. »Deren CDs hab ich für Deutschland und UK auf dem Westpark-Label veröffentlicht. Aus Kapazitätsgründen war es aber unmöglich, auch die anderen 11 Produktionen zu übernehmen. Und – um ehrlich zu sein – sie haben in Deutschland auch nicht das Verkaufspotenzial, um eine eigene Pressung zu rechtfertigen. Sie sind was für speziell an einem Instrument oder an einer regionalen Tradition Interessierte. Also lizenziere ich die CDs: Ich importiere sie, mache Werbung dafür, und es gibt sie im Handel. Nordic Tradition ergänzt dabei gut das eher im modernen Crossover-Bereich angesiedelte Westpark-Repertoire.«

Von Künstlern für Künstler

Die Besonderheit an Nordic Tradition: Dieses in Skåne beheimatete Label wird von den Musikern selbst betrieben. Die vier Mitglieder der Gruppe Svanevit – Erik Ask Upmark, Anna Rynefors sowie Anders und Maria Larsson – spielen auch noch in verschiedenen anderen Formationen zusammen (so etwa Erik und Anna im Duo Dråm), doch die Veröffentlichung eines Svanevit-Albums war der eigentliche Anlass zur Gründung des Labels. Die Einkünfte werden zur Hälfte an Musiker und Label geteilt – eine sehr unübliche und für die Musiker erfreuliche Praxis, die vielleicht auch andere in Schweden bekannte Musiker motiviert hat, hier ihre Musik zu veröffentlichen: Jonas Simonson spielt sonst bei Groupa, und Mikael Marin und Ian Carr von Timber sind auch bei Väsen, bzw. Swåp tätig.

Schon länger etabliert hat sich Olle Paulssons Label Drone. Drei seiner erfolgreichsten Bands – Väsen, Ranarim und Kraja – hat Westpark in Deutschland veröffentlicht. Paulsson betreibt sein Label in Gävle, und zwar wie Ulli Hetscher als Einmann-Betrieb. Wie kam’s? »Ich verliebte mich in Folkmusic, sogar sehr heftig. In den Achtzigern ließ hier in Schweden das allgemeine Interesse an Volksmusik nach, und junge Künstler hatten es schwer. So wie Olov Johansson von Väsen, ein sehr talentierter Musiker, der keine Aufmerksamkeit bekam. Also machten wir eine LP. Die hieß „Väsen“ – Olov spielte dort zusammen mit zwei Freunden -, aber weil jeder glaubte, dass Väsen eine Gruppe sei, nannten sie sich fortan einfach so.«

Eine Frage für alle drei Label-Betreiber: Welche Eigenschaften muss ein Musiker haben, damit ihr ihn unter Vertrag nehmen wollt? Olle von Drone: »Exzellente musikalische Fertigkeiten und exorbitante Kenntnis der traditionellen Musik. Bühnenausstrahlung. Und dass man sich selbst als Musiker professionell organisiert.« Erik Ask-Upmark stimmt zu: »Man sollte aktiver Musiker sein, der die Traditionen verinnerlicht hat und trotzdem einen neuen Blickwinkel auf die Musik hat. Die weiteren Qualitäten sind schwer zu beschreiben – man spürt einfach, wenn sie vorhanden sind.« Und Ulli Hetscher ergänzt aus deutscher Sicht: »Ohne Live-Auftritte läuft in diesem Nischenbereich gaaaanz wenig. Die Schweden, wie die anderen Skandinavier auch, begreifen ihre Musik als Kulturgut, dessen Export einen Wert hat. Da wird Folkmusic an Akademien gelehrt, und man kann einen Titel wie »Riksspelman« erwerben – eine der anerkanntesten Auszeichnungen im Bereich der traditionellen schwedischen Folklore. Der Titel bedeutet in etwa: „meisterlicher Instrumentalist auf einem in der traditionellen Musik verwurzelten Instrument“. Man bekommt in Skandinavien bis zu 50% staatliche Zuschüsse zu den Studiokosten, zum Video und zu den Kosten der Auslandstourneen. Das hilft in Deutschland wie auch in anderen Ländern, skandinavische Künstler präsentieren zu können. Und meiner Ansicht nach zahlt sich das aus und fließt wieder zurück, wenn man sieht, wie viele skandinavische Folk-Künstler international präsent sind.«

Der Blick auf die Nachbarn

Laien erkennen oft die nationalen musikalischen Unterschiede kaum: Welche Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede hat die Volksmusik in Norwegen, Schweden und Finnland? »Nun, Lieder aus dem 18ten Jahrhundert wie Walzer und Polkas sind sehr ähnlich«, meint Olle Paulsson. »Westschwedische alte Musik hat auch viel Ähnlichkeit mit der in Ostnorwegen. Und westfinnische Lieder ähneln denen der ostschwedischen Küste. Andererseits klingen norwegische Hardingfele-Tunes ganz anders schwedische Lieder, und die wiederum anders als finnische Runengesänge«. Erik hält die Unterschiede für groß: »They are really big! Aber ich würde zugeben, dass norwegische und schwedische Musik eine Liebe teilen zu schrulligen Rhythmen und Tonarten, während finnische Musik oft straighter ist …«
Und warum konzentriert sich Westpark vor allem nur auf Schweden? Ist die Volksmusik da interessanter als in Norwegen oder Finnland? »Ganz so unausgewogen ist mein Repertoire ja nicht«, protestiert Ulli. »Aber ich höre sie schon wieder … diese Trolle, wie sie über diesen Umweg an mein Tür klopfen … listige kleine Biester …«

Infos

  • Name Westpark Music & Publishing Nordic Tradition Drone
  • Betreiber Ulli Hetscher Erik Ask Upmark, Anna Rynefors, Anders Larsson und Maria Larsson Olle Paulsson
  • Gründungsjahr 1987 2005 1989
  • Wichtigste Künstler Garmarna, Hedningarna, Värttinä, Triakel, Svanevit, Wimme Svanevit, Dråm, Timber! Väsen, Ranarim, Kraja
  • Mehr Infos und Kontakt www.westparkmusic.de www.nordictradition.com www.drone.se

Foto des Autors
Ich bin absoluter Skandinavien-Fan und reise schon seit über 12 Jahren in die schönen Länder Skandinaviens. Hier teile ich meine Erfahrungen und Tipps zu den skandinavischen Ländern und der Ostsee-Region.